Text:
Tanya Falenczyk
Erschienen in:
DIE ZEIT Nr. 34/2019
Text:
Tanya Falenczyk
Erschienen in:
DIE ZEIT Nr. 34/2019
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YouTube ist für viele Jugendliche die wichtigste Informationsquelle. Neue Rechte und junge Identitäre nutzen das für ihre Propaganda.
Ein Video auf YouTube, 152.000 Views. In die Kamera schauen zwei Männer, einer trägt Norwegerpulli und zurückgegelte Haare, der andere eine runde Brille und Vollbart, sie sehen aus wie hippe Studenten Mitte 20. Doch da ist noch etwas anderes. Im Hintergrund hängen an einem Fensterladen Socken in Schwarz-Rot-Gold, daneben ein Schild: »Sachsen muss stabil bleiben«, in altdeutscher Schrift. »Ist Klima-Greta ein Fake?«, fragt der Videotitel.
»Dem Klima nutzt der Kohleausstieg gar nichts, aber Deutschland wird damit wirtschaftlich geschadet«, sagt der Mann im Norwegerpulli. Schnitt, nächstes Thema: Es geht um deutsche Frauen, die angeblich Männer ohne Bleiberecht heiraten. »Geschichten von alten vertrockneten Jungfern, die ihren Traumprinzen aus fernen Ländern gefunden haben. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.« Darüber wird die Schlagzeile einer Leipziger Lokalzeitung eingeblendet: »Asylbewerber ersticht seine Frau«.
Jung, hip, rechts: Das ist der YouTube-Kanal »Laut Gedacht«. Er bezeichnet sich als Satire, die das aktuelle Geschehen kommentiert. Fast 42.000 Menschen haben ihn abonniert. 133 Folgen gibt es mittlerweile, jede Woche kommt ein neues zehnminütiges Video dazu. Es existieren noch viele ähnliche deutsche YouTube-Kanäle, sie heißen Martin Sellner, Neverforgetniki oder IdiotenWatch und haben zwischen 30.000 und 100.000 Abonnenten. Sie alle richten sich vor al lem an junge Leute.
YouTube ist für alle zugänglich und erfüllt so eines der großen Versprechen des Internets. Die New York Times nennt die Plattform »eines der mächtigsten Instrumente des 21. Jahrhunderts«. Seit dem »Zerstörungsvideo« des YouTubers Rezo ist auch der deutschen Öffentlichkeit bewusst, dass ihr Einfluss enorm unterschätzt wurde.
Eine Studie des Rats für Kulturelle Bildung, eines von Stiftungen gegründeten Beratergremiums, im Juni 2019 ergab, dass YouTube für 86 Prozent aller Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein digitales Leitmedium ist. Wenn sie nach Informationen suchen, ist YouTube nach Suchmaschinen wie Google die wichtigste Quelle. Im Gegensatz dazu nutzen nur 22 Prozent der Jugendlichen die Nachrichtenportale von Zeitungen.
YouTuber bilden unsere Jugend. Aber wissen wir, wer sie sind und wie sie arbeiten?
Die beiden Männer, die Witze über Greta und Scheinehen machen, sind nicht nur YouTuber. Philip Thaler, 25, und Alex Malenki, 27, gehören zusammen mit ungefähr 15 anderen zur Kern gruppe der Aktivisten der deutschen Identitären Bewegung, kurz IB, damit sind sie Teil der sogenannten Neuen Rechten. Der Verfassungsschutz stufte die IB im Juli dieses Jahres als rechtsextremistisch ein, er schätzt die Mitgliederzahl auf 600. Die meisten von ihnen sind unter 30, auch ihre Inhalte richten sich an jüngere Menschen. Ihre Ideologie verbreiten sie unterschwelliger als andere rechtsextreme Gruppen, so sprechen sie zum Bei spiel statt von »Rassen« eher von »Völkern«. Zuerst trat die Gruppe nur online auf, bald gab es auch offline Aktionen: Sie stürmten Hörsäle, verteilten Flugblätter vor Schulen. Doch auch dies war fürs Internet gemacht. Dort bekommen die Videos der Aktionen mehrere Hunderttausend Zuschauer.
Wie viele Jugendliche unter den 42.000 Abonnenten von Laut Gedacht sind, ist nicht klar. Die Statistik des Kanals sagt: Die meisten Zuschauer sind Männer zwischen 20 und 35. Aber die wenigsten geben auf YouTube ihr echtes Alter an, weil viele Videos für Minderjährige gesperrt sind. »Der jüngste Zuschauer, von dem ich weiß, ist elf«, erzählt Thaler in einem Café in Leipzig. »Viele sind unter 18«, sagt auch Malenki. Die beiden wehren sich dagegen, dass ihr Format »betont jugendlich« sei. »Wir machen einfach, was uns gefällt, und wir sind eben jung und hip«, sagt Thaler. Beide versuchen im Gespräch immer wieder zu relativieren, was nach bewusster Strategie klingen könnte. Die Botschaft: Wir sind harmlose Freizeit-YouTuber.
Malenki sagt, er habe mit Laut Gedacht angefangen, weil er »eine Lücke in den Medien« erkannt habe. Thaler sagt: »Wenn Leute sich nur über Mainstream-Medien informieren, geraten alternative Sichtweisen in den Hintergrund. Die Leute sollen sich alles anhören und sich ihre eigene Meinung bilden.« Die IB beansprucht für sich selbst gern das Bild der Freidenker, also der Einzigen, die sich trauten, zu sagen, was wirklich ist.
Bei jungen Leuten wie Vilhelm, Fredrik und Lorenzo kommt das gut an. Sie sitzen an einem Tag im Mai auf einer Wirtshausterrasse in Icking bei München, um mit der ZEIT darüber zu spre chen, wie sie sich politisch informieren. Sie sind alle 18 Jahre alt, haben gerade ihr Abitur gemacht. An ihrer Schule gab es im vergangenen Jahr eine Diskussion über Journalismus und FakeNews, dort haben die drei besonders kritisch über die klassischen Nachrichtenseiten gesprochen. Wie viele ihrer Mitschüler erzählten sie, dass sie Nach richten zuerst auf YouTube mitbekommen. Im Schnitt sind sie eineinhalb Stunden pro Tag auf YouTube, schätzen sie, Vilhelm drei.