Protokoll:
Tanya Falenczyk
Foto:
Xenia Trampusch
Erschienen auf:
Süddeutsche Zeitung Magazin Online
Protokoll:
Tanya Falenczyk
Foto:
Xenia Trampusch
Erschienen auf:
Süddeutsche Zeitung Magazin Online
»Alle Masken waren
längst gefallen«
Paare verraten, was sie über die Liebe gelernt haben. Folge 1: Christl und Markus waren 15 Jahre lang beste Freunde. Als sie sich näherkamen, fanden sie das erst mal ziemlich komisch – und dann sehr, sehr schön
Markus: Viele unserer Freunde haben uns schon lange vor der Beziehung damit aufgezogen, wie wir gemeinsam in den Urlaub und auf Hochzeiten fahren können, ohne dass etwas zwischen uns passiert. Als wir ihnen dann erzählt haben, dass wir jetzt ein Paar sind, dachten sie, es wäre ein Scherz.
Christl ich kennen uns schon seit Silvester 1999, gemeinsame Freunde haben uns da auf einer Party vorgestellt. Von da an waren wir 15 Jahre beste Freunde, bis daraus vor fünf Jahren eine Beziehung wurde. Letztes Jahr haben wir geheiratet. Die lange Freundschaft lässt einen ganz anders einsteigen. Alle Masken waren längst gefallen. Ich wusste zum Beispiel schon, wie schnell Christls Stimmung kippen kann, wenn sie hungry ist. Ich wusste aber auch, dass ihre Familie und Freunde sich zu tausend Prozent auf sie verlassen können. Das klingt so selbstverständlich, ist es aber nicht.
In meinem Kopf hat sich als Kind der Achtziger und Neunziger eingepflanzt, dass alles Hollywood sein muss: die perfekte Familie, alle glücklich und harmonisch. Meine größte Angst war immer, dass man sich in einer Beziehung anschweigt. Ich habe erst durch Christl verstanden, dass das in Ordnung ist.
Auf der anderen Seite habe ich aber auch gelernt zu reden – nämlich dann, wenn mir etwas auf dem Herzen liegt. Ich kann meine Gefühle, egal ob Wut oder Trauer, oft einfach nicht auf den Punkt bringen. Stattdessen sperre ich zu und sage gar nichts mehr. Mittlerweile weiß ich, dass es auf lange Sicht die Harmonie verbessert, Dinge anzusprechen.
Als wir gemeinsam auf Wohnungssuche waren, haben wir getrennt voneinander an Vermieter und Makler E-Mails verschickt. Ich bekam fast immer eine Antwort, Christl nicht. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt, aber verrät viel über unser System: Ich bin weiß, männlich, habe blaue Augen und blonde Haare – für mich ist alles easy, man nimmt mich ernst und schenkt mir sofort Vertrauen. Christl hat als Schwarze Frau andere Erfahrungen gemacht. Deswegen habe ich über Rassismus weniger zu sagen und höre sehr viel zu, lese viel und informiere mich. Ich muss oft durchatmen, es schockiert mich und macht mich zornig.
Christl und ich sind beide sehr freiheitsliebend. Für uns ist klar, dass wir nicht alles gemeinsam machen müssen. Während des Lockdowns in Österreich haben wir angefangen, jeweils alleine spazieren zu gehen. Kopfhörer auf, Maske ins Gesicht, Me Time.
Christl: Wir sind einen Monat nach dem Tod meines Vaters zusammengekommen. Markus war mein bester Freund und eine wahnsinnig große Stütze für mich. Er war einfach da, eine Stunde nachdem mein Vater für tot erklärt worden war und die ganze Zeit danach. Irgendwann hat er mich einfach geküsst. Es folgte ein Auf und Ab, weil ich nicht einschätzen konnte: Will ich das auch noch, wenn ich die schlimmste Trauerphase hinter mir habe?
Irgendwann habe ich gesagt: »Okay, wir probieren das einfach.« Ich bin froh, dass ich damals emotionaler war als sonst. Die sachliche Version von mir hätte die Beziehung wahrscheinlich aus Angst nie zugelassen.
Mit Markus Sex zu haben war am Anfang weird as fuck. Wir wussten ja alles über den anderen, kannten jede Ex-Freundin, jeden Ex-Freund – und plötzlich mussten wir uns voreinander nackt ausziehen. Wir wollten das natürlich, aber es war gleichzeitig seltsam. Wir hatten im ersten Monat sicher nie nüchtern Sex.