Journalistin.

Text:
Tanya Falenczyk, Christoph Farkas

Foto:
Ramon Haindl

Erschienen in:
ZEIT Campus Nr. 4/2019

Text:
Tanya Falenczyk, Christoph Farkas

Foto:
Ramon Haindl

Erschienen in:
ZEIT Campus Nr. 4/2019

Aus dem Schatten

Sie schreiben Songtexte, singen, machen die Wäsche. Wer sind die Menschen hinter den Popstars?

Der Berliner Kollwitzkiez, ein Küchenfenster, in der Ferne der Fernsehturm. Hier steht Fabian Römer, 29, wenn er an einer Textzeile festhängt. Klingt banal, aber: Ausblick mit Weite und Sonne sei gut für seine Ideen, sagt er. Im Flur des Studios, zu dem die Küche gehört, hängen reihenweise Gold- und Platin-Schallplatten. An vielen war Fabian beteiligt. Doch auf den Plaketten stehen andere Namen: Namika –Lieblingsmensch, Johannes Oerding – Kreise. Oder Die Lochis – #Zwilling.

Das Publikum erwartet von deutschen Pophymnen, dass die Texte direkt aus den Künstlerherzen ins Album oder auf die Bühne fließen, als wahre, unmittelbare Emotion. Die Realität sieht so aus: Die meisten Texte, die jeder kennt, kommen von Leuten, die fast niemand kennt. Von Songwritern wie Fabian. Kaum jemand spricht darüber. Weil Künstler schnell als Blender gelten, wenn sie zugeben, dass andere ihre Texte schreiben. Ein sehr deutsches Problem, sagt Fabian: “Das ist dieses Dichter- und Denkertum: Vollblutkünstler müssen schreiben wie Goethe, die krasseste Stimme haben und eine geile Aura. Völlig absurd.” In den USA sei es selbstverständlich, dass Sänger häufig nur Interpreten sind. Dort ist das Singen Kunst genug. Und ein Mann wie der Schwede Max Martin, der Hits für Taylor Swift schreibt, ist selbst ein Star.

In Deutschland ist Texten ein hartes Geschäft. Es gibt zwar keinen Tourstress wie bei der Backgroundsängerin Rachel, dafür warten Songwriter oft monatelang auf einen unbekannten Lohn. Erst wenn einer ihrer Songs es auf ein erfolgreiches Album schafft, vielleicht sogar Single wird: bingo. Bei Fabian klappt das fast immer. Er war sogar an fünf Songs des Helene-Fischer-Albums Helene Fischer beteiligt. “Ich bin da sehr gesegnet und dankbar für die Projekte, an denen ich mitschreiben durfte”, sagt er. “Aber ich weiß, dass viele andere gute Writer es schwer haben.”

Fabian war immer einer der Jüngsten. Mit 12 bei Online-Rap-Battles. Mit 14 mit seinem ersten Album, Künstlername F.R. Mit 23 beim Songwriting-Camp, zu dem ihn sein Manager überredete. Viele Popalben entstehen bei solchen Camps, auf denen Autorengruppen in Akkordarbeit Texte runterschreiben. Fabian arbeitet heute lieber direkt mit Künstlern zusammen. Gerade war er mit dem Rapper Chima für eine Woche in Hurghada am Roten Meer, all inclusive, um dessen nächstes Album zu texten.

Deutsche Poptexte sind sinnfrei, egal und berechnend. Das ist ein Vorwurf, den unter anderem Jan Böhmermann populär gemacht hat. Vor zwei Jahren zeigte er im Neo Magazin Royale, wie viele Writer an Alben von Mark Forster oder Max Giesinger beteiligt sind. Und präsentierte den Song Menschen Leben Tanzen Welt, ein Mosaik aus Kalendersprüchen und Werbeslogans, der auf einem Giesinger-Album eher nicht aufgefallen wäre. Fabian findet, Böhmermann habe bei aller Polemik einen Punkt getroffen. Ja, sogar was verändert. “Writer und Künstler sind etwas mutiger geworden, allergischer Floskeln gegenüber”, sagt er. “Manchmal hört man jetzt: ‘Du, das ist zu sehr Menschen Leben Tanzen Welt!'”

Er selbst scheint sehr gut auszukommen, mit sich und im Business. Im Juni erscheint nach vier Jahren, in denen er nur für andere geschrieben hat, ein neues eigenes Album, L_benslauf. In einem Song rappt er: In der zweiten Reihe zu stehen, finde ich unbeschreiblich bequem.